Was bitte ist eine Testosteron-Schleuder?

Frauchen bestand darauf, diesen Bericht selber zu schreiben. Sie befürchtete, ich würde alles kleinreden, wenn ich es selber darlegen würde. – Frechheit! Aber bitte… Wie sie denn meint… Dann soll sie es halt schreiben!

 

 

Man sagt ja, Rüden seien geschlechtsreif, wenn sie beim Pinkeln das Beinchen heben. Kabou tat das schon so mit 3 oder 4 Monaten das erste Mal.

 

Anfangs schien das fast noch ein Versehen gewesen zu sein, denn es passierte nur so einmal alle 1-2 Wochen, doch es wurde immer häufiger… Selbst heute (mit 9 Monaten) entscheidet Kabou noch nach Aufwand: Ist da ein Stamm oder etwas anderes, was den Energieeinsatz lohnt, wird das Beinchen hochgehoben, bis er fast umkippt. Befindet sich Kabou jedoch auf einer platten Wiese, mutiert er häufig noch zum „Mädchenpinkler“.

 

Seine erste Trotzphase hatte Kabou schon in seinem 5. Lebensmonat. Damals betete ich: „Bitte lass es noch nicht die Pubertät sein!“ War es auch nicht. Vielleicht ein Vorläufer davon. Diese Trotzphase hatte ich nach 2 – 3 Wochen überstanden und meinen Kabou wieder im Griff.

 

Klar gab (und gibt) auch sonst es immer mal wieder Tage, an denen es nicht so lief. Mal hatte Kabou einfach keinen Bock, mal war ich nicht so gut drauf. Aber am nächsten Tag war meistens alles wieder supi.

 

Seit seinem 7. Lebensmonat aber war Kabou eindeutig in der Pubertät. Oder wie Verena von der Hundeschule sagte: Kabou ist ein Puber-Tier. Das lässt sich leider auch nicht weg reden. Wie ich das bemerkte? Das erzähle ich euch gerne:

 

Zunächst kündigte sich die Pubertät damit an, das Kabou fast nur noch im Staubsaugermodus herumlief (Nase auf dem Boden, Rute in die Höhe). Auf mich achten war plötzlich nicht mehr wichtig. Interessant waren nur noch alle Gerüche. Auch fing er an, nach jedem Pinkeln oder anderen Geschäften zu scharren. Apropos Pinkeln: Kabou ging an fast keinem Baum oder Gebüsch mehr einfach vorbei. Nach ausgiebigem Beschnüffeln musste er auch noch markiert werden.

 

Soweit war das ja alles noch ganz niedlich.

 

Seither bemühe ich mich, Kabou klar zu machen, dass es ausreichend Bäume und Büsche gibt und dass er Laternenpfähle, Zäune, Häuser, Bushaltestellen, Bänke, Mülleimer und so weiter nicht zu markieren hat. Das fällt ihm umso schwerer, weil viele der anderen Rüden das dürfen und Kabou selbstverständlich den inneren Drang verspürt, seinen Geruch ebenfalls dort zu verewigen.

 

Nach und nach kamen andere Kleinigkeiten hinzu, die ich jedoch anfangs gar nicht unbedingt der Pubertät zuordnete: Er stellte alles, aber auch wirklich alles, was ich sagte, in Frage.

  • „Sit!“ – Wie? Sit? Ernsthaft?? Ich soll mich hinsetzen??? Ach Quatsch! – Drehte sich um und stolzierte weg.
  • Im Park: „Kabou, zu mir!“ – Kabou? Es gibt bestimmt noch einen der hier so heißt. Ich bin garantiert nicht gemeint! – Nahm die Nase nicht mal vom Boden hoch, schnüffelte weiter und entfernte sich immer mehr.
  • Bislang akzeptierte Kabou mein "Nein" immer: Wenn ich es nicht wollte, kam er nicht aufs Sofa, ins Bett darf er sowieso nicht, er ließ alles liegen, was ich mit einem Nein oder Pfui kommentierte, sogar Leckerlis,… Jetzt hieß "Nein" offensichtlich plötzlich: Mach ruhig weiter, mit dem, was du da gerade machst.

 

Und so weiter… Ich könnte noch unendlich viele Beispiele aufzählen. Nun sind Kromis ja dafür bekannt, dass sie immer mal wieder in Frage stellen, was man ihnen sagt. Selbst wenn der Befehl 100%ig sitzt. Das ist bei Kromis einfach so. Das kenne ich auch schon. Aber dann reichte es bisher immer, wenn ich meinen Kommandos mit überdeutlicher Körpersprache Nachdruck verlieh. Also einfach mal vehement auf ihn zugehen, ihm den Weg versperren, mich über ihn beugen,… oder auch mal die Stimme leicht erheben.

 

Davon war Kabou bisher stets so beeindruckt, dass er zum einen ganz sicher war, dass ich wirklich genau das meinte, was ich ausgesprochen hatte und zum anderen, dass er meinem Blick auswich und den Kopf senkte: Vermeidungsverhalten. Ich hatte also ganz klar zum Ausdruck gebracht, wer hier die Hosen anhat. Und dann funktionierte sofort wieder alles reibungslos.

 

Ich ließ Kabou von Anfang an viel frei, also unangeleint, laufen. Daher hatten wir unzählige Möglichkeiten, den Rückruf zu üben. Ohne Ablenkung, mit leichter Ablenkung, von Vögeln, von Hasen, von anderen Hunden, von lecker riechenden Sachen auf dem Boden,… Meist reichte ein „Denk nicht mal dran!“, aber spätestens beim Nein blieb Kabou in meiner Nähe. Selbst, wenn ich die Gefahr mal zu spät gesehen hatte, und Kabou schon losgelaufen war, konnte ich ihn wieder abrufen. Er drehte noch einen Bogen und kam dann direkt wieder zu mir – egal, was ihn zuvor angelockt hatte.

 

Nicht so in der Pubertät: Da war ganz egal, was ich anstellte – nichts beeindruckte ihn. Im Gegenteil: Er grinste mir noch frech ins Gesicht, als wollte er sagen: Na und? Selbst, wenn ich ihn mal im Genick packte, um ihn von anderen Hunden abzubringen, sprang er sofort wieder freudestrahlend zu den Hunden zurück, sowie ich meinen Griff auch nur lockerte.

 

Denn das mit den anderen Hunden, das nervte mich und die anderen Leinenhalter so richtig!

 

Zunächst fand Kabou, dass alle anderen Hunde gefälligst nur deshalb im Park waren, um mit ihm zu spielen. Egal, ob Rüde oder Hündin – kaum gewittert oder gesehen und schon war Kabou weg. Kein Rufen, kein Leckerli, kein Verstecken, kein Weglaufen, kein provokantes daran Vorbeigehen, kein Anschnauzen,… Nichts von alledem zeigte auch nur die geringste Reaktion bei Kabou. Er war nur noch auf den anderen Hund fixiert und blendete alles Andere (vor allem mich) komplett aus.

 

Ich ging dazwischen: mit der Hand, mit dem Fuß, mit meinem ganzen Körper.

Ich verteilte Stüber: in die Flanken, in den Hals, auf die Nase.

Nichts.

Null Reaktion.

 

Einfach mal so schnell anleinen ging auch nicht. Dafür ist Kabou zu schnell und wendig. Ich bekomme ihn nicht richtig zu fassen. Letztlich blieb mir dann manchmal nur noch der beherzte Griff ins Nackenfell. Ich glaube, ich machte mir zu viele Gedanken darüber, was ich ihm damit antat, denn Kabou gab niemals einen Laut von sich – es kann ihm also nicht wehgetan haben. Er zappelte und drehte sich jedoch wie irre. Klar! Er wollte ja auch wieder zurück zu seinem Spielkameraden, die jedoch oftmals froh waren, mein aufdringliches Puber-Tier losgeworden zu sein.

 

Also an die Leine und in die entgegengesetzte Richtung fortgegangen.

 

Bekam ich Kabou jedoch nicht zu fassen, ging er mit dem anderen Hund mit. Bis nach Hause. Es gibt ja so nette andere Tierhalter, die auch auf höfliches Bitten hin nicht mal kurz warten, bis man seinen eigenen Hund wieder unter Kontrolle oder an der Leine hat, sondern einfach stur weiterlaufen. Naja, bei diesen Hundebesitzern wissen wir nun, wo sie wohnen…

 

Als nächstes ging die Phase los, in der Kabou nicht mehr alle Rüden toll fand. Plötzlich baute er sich vor manchen anderen Rüden auf, ließ die Brust anschwellen, hob die Rute an, stand stocksteif da, fixierte den Rüden und fing an zu knurren. Erst nur ganz leise, fast noch vorsichtig. Dann jedoch immer lauter und auch durchaus wütender. Verpasste ich diesen Zeitpunkt, ging das Ganze in tiefes Bellen und Knurren über und er rannte direkt auf den Kontrahenten zu. Nicht, dass er diesem etwas tun würde – zumindest bisher noch nicht – aber vielleicht ließ sich das gegenüber ja schon davon beeindrucken und haute ab!?!

 

Auch hier zog ich immer mein gesamtes Abbruchprogramm durch, das ich auch beim Zwangsbespielen nutzte. Hinzu kam lediglich bei Bedarf noch der Schnauzengriff, um das Knurren und Bellen zu unterbinden.

 

Ich konnte bisher noch nicht herausfinden, nach welchen Kriterien Kabou entschied, ob der andere Rüde okay war oder nicht. Größe und Alter waren jedenfalls kein Entscheidungskriterium; wir hatten von jung bis alt, klein bis groß, hell bis dunkel bisher alles sowohl mal als „dich mag ich“ oder auch mal als „dich kann ich nicht ausstehen“ dabei. Vielleicht spielte dabei seine Tagesform eine Rolle?

 

Eine weitere unschöne Angewohnheit, war Kabous wachsender Zerstörungswahn! Kabou hat nie irgendwelche Schäden in meiner Wohnung, an meinen Möbeln, Klamotten oder Schuhen angerichtet. Da brauchte ich auch nichts steuern, er hatte von sich aus kein Interesse daran.

 

Diese Dinge lässt Kabou auch nach wie vor in Ruhe. Aber alle seine Spielsachen werden zurzeit mit Vorliebe, purer Absicht und roher Gewalt zerstört. Klar ging auch vorher schon mal ein Kuscheltier oder ein Kautau oder so etwas kaputt, aber das waren dann eher über Wochen bis Monate anfallende Verschleißerscheinungen.

 

Nun aber nahm sich Kabou ein Spielzeug, hockte sich irgendwo klammheimlich hin und zerrupfte es in alle Einzelteile. Die Innereien - meist so was wie Zauberwatte oder so - wurden großzügig in der gesamten Wohnung verteilt. Binnen einer Woche musste ein Schwimmspielzeug, ein Kuschel-Marienkäfer mit Quietschie, ein Plastikschwein, das grunzen konnte und Kabous kleines Kissen daran glauben.

 

Seither bekommt Kabou nur noch Hart-/Vollgummi-Spielsachen und Kauseile. Alles andere habe ich beiseite geräumt; das bekommt er erst zurück, wenn er wieder etwas pfleglicher mit seinen Sachen umgeht.

Eine weitere Pubertäts-Erscheinung war das Territorialverhalten. Hörte Kabou, während er in der Wohnung war, ein Geräusch, das er nicht zuordnen konnte oder ging ein (unbekannter) Besucher durchs Treppenhaus, wurde geknurrt und/oder gebellt. Allerdings ließ er sich schnell durch ein „ist gut“ beruhigen. Das Klingeln der Türglocke wurde bisher noch nie kommentiert. Da zieht immer noch unser seit der Welpenzeit aufgebautes Schema: Kabou wird auf seinen Platz geschickt und da bleibt er, bis ich die Situation wieder für ihn freigebe.

 

Interessanter gestaltete sich das Territorialverhalten außerhalb unserer Wohnung. Klingt unlogisch? War aber so. Orte, die Kabou gut kennt, wo er also häufiger ist, erkennt er auch als „sein“Territorium an. Dazu gehörten bisher das Haus und Grundstück meiner Eltern, aber auch das von Pelle sowie der gesamte Prinzenpark.

 

Nachbarn, die sich auf ihrem eigenen Grundstück bewegten, wurden angekläfft. Passanten ebenso. Autos, die auf die Nachbargrundstücke fuhren. Erst recht natürlich Menschen, die auf Kabous Territorium wollten. Im Park wurden gelegentlich Spaziergänger angebellt. Aber nicht alle – auch hier war mir nicht klar, warum einige Spaziergänger von Kabou angemacht, andere jedoch nach wie vor einfach ignoriert wurden.

 

Richtig interessant wurde es, wenn Kabou einen ordentlichen Hormonschub hatte. Das konnte ich sogar riechen! Kabou roch normalerweise ja nicht wirklich nach Hund, so wie das bei Kromis auch üblich ist. Aber das Testosteron rieche ich: Es handelt sich dabei um einen beißenden, fast stechenden Gestank. Viele Menschen riechen das angeblich nicht. Ich glaube, sie riechen es doch, können den Geruch jedoch nicht richtig einordnen.

 

Wenn ich das Testosteron roch, nannte Kabou nur noch "meine kleine Testosteron-Schleuder" und alle Alarmglocken schellten! Dann wusste ich Bescheid! Auf alles, was vier Beine hatte, wurde aufgeritten. Egal, ob weiblich oder männlich. Und Kabou ging auch nicht mehr runter. Das heißt, mit dem Oberkörper lag er auf dem anderen Hund auf, mit den Hinterbeinen lief er. Und wenn sich der andere Hund nicht wehrte oder ihn abschüttelte, dann liefen die beiden gemeinsam so durch den Park.

 

Auch hier gab es wieder solche und solche Hundebesitzer: Manche sahen das recht gelassen und sagten, dass sich ihr Hund schon wehren würde, wenn es zu viel würde. Allerdings passte ich dann trotzdem ganz stark auf die Körpersprache (vor allem auf die des anderen Hundes) auf und ging sofort dazwischen, wenn ich bemerkte, dass der andere genug hatte. Andere Hundehalter wiederum reagierten sofort hysterisch und schnauzten einen direkt an, bevor ich überhaupt hätte eingreifen können.

 

Pubertät hin oder her: In der Wohnung war eigentlich Kabou immer ein Schatz und reagierte spätestens auf mein Räuspern oder „Naaa?“, sofern er nicht sogar schon (wie meistens) direkt aufs Kommando reagierte. Häufig bekam ich daher erst mit, dass Kabou mich und unsere Rangordnung mal wieder austestete, wenn wir bereits im Park waren und ich ihm die Leine abgenommen hatte; also eindeutig zu spät! In dem Fall hatte ich einen echt anstrengenden Spaziergang vor mir, bis ich Kabou irgendwann endlich wieder an der Leine hielt. Dann blieb er aber auch an der Leine und landete bei den nächsten Spaziergängen direkt an der Schleppleine.

 

Unter der Schleppleine wurden dann alle Grundkommandos wieder aufgefrischt: angefangen bei sit, down, bleib über warte bis Rückruf und Impulskontrolle. Meistens dauerte es nur wenige Tage und unsere Rangordnung stand wieder fest. Spätestens nach 2 – 3 Wochen jedoch war bisher jede Puber-Tier-Phase überstanden.

 

Allerdings handelte es sich bei diesen ganzen „Pubertäts-Erscheinungen“ immer nur um Phasen. Die dauerten manchmal nur wenige Tage, manchmal aber auch 2 – 3 Wochen. Danach lief es für eine Weile wieder richtig gut und harmonisch. Ich liebe diese Zwischenphasen,

  • in denen wir uns fast ohne Worte verstehen,
  • Kabou auf mich achtet und immer mal wieder zu mir kommt und fragt, ob er noch weiterspielen darf,
  • in denen Kabou problemlos und unangeleint an anderen Hunden vorübergeht
  • auf mein Abrufen reagiert
  • und mit mir kuschelt, bis einem von uns beiden zu warm wird.

 

Eine völlig andere Seite an Kabou während der Pubertät war jedoch auch eine gewisse Sensibilität. Er erschrak sich schneller bei unerwarteten Geräuschen oder Bewegungen. Wurde er von einem anderen Hund anders angegangen als er es noch aus seiner Welpen- bzw. Junghundezeit kannte, nahm er Reißaus und versteckte sich wieder vermehrt zwischen meinen Beinen; seine Schutzzone aus der Welpenzeit.

 

Auch reagierte Kabou sehr viel sensibler auf meine Stimmung und Stimme. Ich brauchte ihn nicht anschreien –das wäre viel zu viel gewesen. Ein erhobener Zeigefinger, ein ernster, fester Blick sowie vielleicht ein etwas kräftigerer Tonfall genügten schon und er zog die Rute ein und schaute mich mit einem Blick an, der zu sagen schien: „Was habe ich denn falsch gemacht? Ich wollte dich doch nicht ärgern. Es tut mir leid! Bitte sei wieder gut mit mir…“

 

Humor, Durchhaltevermögen und liebevolle Konsequenz mit viel Lob an der richtigen Stelle sowie ausgiebigen Kuscheleinheiten (und seltenem strengen Durchgreifen) bringen mich jedes Mal durch die anstrengenden Zeiten, auch wenn ich meinen kleinen Macho und Möchtegern manchmal echt „an die Wand tackern“ könnte.

 

 

Trotz allem: Ich liebe meine kleine Testosteron-Schleuder abgöttisch!

 

 

 

Und nun reiche ich die Tastatur zurück an Kabou.